Bürgergeld-Gesetz: Risiken und Fehlwirkungen vermeiden
Datum 09.11.2022
Karenzzeit, Nachweis von Vermögen, Freigrenzen sowie Vertrauenszeit – diese und weitere Aspekte sind vom Entwurf des Bürgergeld-Gesetzes betroffen. In unserem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages weisen wir auf der Grundlage unserer Prüfungsergebnisse auf Risiken im Zusammenhang mit einigen geplanten Neuerungen hin.
Der Gesetzentwurf sieht vor, das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld durch das neue Bürgergeld zu ersetzen. Die Ziele: Chancen auf neue Perspektiven und mehr soziale Sicherheit verankern und unnötige Bürokratie abbauen.
Das Gesetz soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Es wird allein im Jahr 2023 zu Mehrausgaben von rund 4,8 Mrd. Euro führen (davon 4,2 Mrd. Euro für den Bund).
Wir haben auf der Grundlage unserer Prüfungserkenntnisse den Haushaltsausschuss beraten. Als Maßstab haben wir die unverändert gültige Ausrichtung des Gesetzes zugrunde gelegt: Mit der Grundsicherung eine Perspektive für ein eigenverantwortliches Leben für diejenigen zu sichern, die hierzu aus eigenen Mitteln und Kräften nicht in der Lage sind. Einige der geplanten Neuerungen sind aus Sicht des Bundesrechnungshofes vor diesem Hintergrund begrüßenswert; andere könnten sich in ihrer Wirkung jedoch als kontraproduktiv erweisen und zu vermeidbaren finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt führen. Einige Beispiele:
- Die zweijährige Karenzzeit, in der Vermögen berücksichtigungsfrei bleibt und die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung anerkannt werden, geht weit über die in der COVID-19-Pandemie gewährten Erleichterungen hinaus.
- Die Erklärung der antragstellenden Person, kein erhebliches Vermögen zu besitzen, soll künftig als Nachweis genügen. Der Verzicht auf jegliche konkreteren Angaben eröffnet Mitnahme- und Missbrauchsmöglichkeiten.
- Die für die Karenzzeit vorgesehenen Vermögensfreigrenzen erscheinen mit 60.000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 30.000 Euro für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft - mit Blick auf das unveränderte Gesetzesziel - unverhältnismäßig hoch.
- Während der sechsmonatigen Vertrauenszeit sind Sanktionen bei Pflichtverletzungen und erstmaligen Meldeversäumnissen ausgeschlossen. Unsere Prüfungserkenntnisse zeigen jedoch, dass sich bereits die präventive Wirkung von Sanktionen positiv auf die Zusammenarbeit der Leistungsberechtigten mit dem Jobcenter, den Vermittlungsprozess sowie die Dauer des Hilfebezuges auswirken.
Aufgrund der sozialen, arbeitsmarktlichen und finanziellen Bedeutung der geplanten Gesetzesänderungen haben wir empfohlen, diese Hinweise noch im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen. Mögliche Risiken und Fehlwirkungen sollten belastbar evaluiert werden, bevor weitreichende Änderungen im System der Grundsicherung dauerhaft festgeschrieben werden.