Schutzmasken: weit über Bedarf beschafft, kaum Nutzen
Das BMG beschaffte zu Beginn der Corona-Pandemie 5,7 Milliarden Schutzmasken im Wert von 5,9 Milliarden Euro, obwohl der Bedarf viel geringer war. Fazit unseres aktuellen Berichts: Es fehlte jegliche Mengensteuerung. Mehr als zwei Drittel der Masken wurden nie verwendet, mehr als die Hälfte ist bereits vernichtet oder dafür vorgesehen. Der Nutzen für die Pandemiebekämpfung war entsprechend gering. Bis heute fehlt im BMG eine kritische Aufarbeitung. Diese ist aber erforderlich, um wichtige Lehren für künftige Pandemien und Krisen ziehen zu können.
Zu Beginn der Corona-Pandemie drohte in Deutschland aufgrund von Produktions- und Lieferengpässen eine Versorgungskrise vor allem mit Schutzmasken. Die Bundesregierung beschloss deshalb, Schutzausrüstung für den Eigenbedarf der Bundesbehörden und ergänzend auch zur kurzfristigen Sicherung der medizinischen Akutversorgung zu beschaffen. Aufgabe des BMG war es, den Bedarf zu ermitteln und entsprechende Vertragsabschlüsse durch die Beschaffungsämter des Bundes auszulösen.
Über die zentrale Beschaffung von Schutzausrüstung durch das BMG haben wir 2021 berichtet (mehr dazu hier). Seitdem sind viele Probleme ungelöst geblieben und neue hinzugekommen.
Masken weit über Bedarf beschafft
Das BMG bezifferte den dringlich aus Importen zu deckenden Beschaffungsbedarf für drei Monate auf 75 Millionen partikelfiltrierende Halbmasken (PfH) und 200 Millionen medizinische Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS). Neben den Beschaffungsämtern des Bundes begann das BMG zusätzlich selbst einzukaufen. Es nutzte parallel verschiedene Beschaffungswege. Insgesamt beschaffte das BMG so 1,7 Milliarden PfH und 4 Milliarden MNS. Das BMG kaufte ohne jegliche Mengensteuerung und in Folge weit über dem Bedarf.
Nachdem die befürchtete Versorgungskrise in der Akutmedizin mit den ersten Auslieferungen vermieden werden konnte, verfügte das BMG im Juni 2020 über hohe Lagermengen. Für diese Lagermengen fehlte nicht nur ein umfassendes Verteilungskonzept, auch blieb die Nachfrage weit hinter den Beständen zurück. Von den 5,7 Milliarden Schutzmasken wurden bis Ende 2023 nur 1,7 Milliarden im Inland verteilt. Das ist weniger als ein Drittel.
Folgekosten durch Lagerung, Verteilung und Vernichtung von Masken
Die übrigen Masken blieben zunächst eingelagert. Im Jahr 2023 ließ das BMG dann 1,2 Milliarden Schutzmasken vernichten, weil ihr Haltbarkeitsdatum abgelaufen war. Weitere 1,7 Milliarden Schutzmasken sind zur Vernichtung vorgesehen. Für die verbleibenden Bestände von knapp 800 Millionen Schutzmasken hat das BMG bis heute kein Verwendungs- und Verteilungskonzept.
Die Folgekosten für Lagerung, Logistik, Qualitätsprüfung, externe Beratung und somit die Verwaltung der Überbeschaffung summierten sich bis Ende 2023 auf 460 Millionen Euro. Für das Jahr 2024 rechnet das BMG mit möglichen weiteren Ausgaben von bis zu 534 Millionen Euro, insbesondere auch aufgrund laufender Rechtsstreitigkeiten.
Kaum Nutzen für Pandemiebekämpfung
Wie viele der 5,7 Milliarden beschafften Schutzmasken zu einer effektiven Pandemiebekämpfung beigetragen haben, bleibt unklar: Weniger als ein Drittel der Schutzmasken wurde in Deutschland verteilt, mehr als die Hälfte wurde vernichtet oder ist dafür vorgesehen. Für die verteilten Masken ist nicht festzustellen, wie viele tatsächlich genutzt wurden, weil viele Empfänger ihrerseits noch Restbestände lagern oder womöglich bereits entsorgt haben. Im Ergebnis war der überwiegende Teil der gekauften Schutzmasken ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung.
Unzureichende Dokumentation der Vorgänge
Das BMG hat die Entscheidungen und Vorgänge rund um die Beschaffung der Schutzausrüstung nicht vollständig und nachvollziehbar dokumentiert. Dies hatten wir bereits 2021 kritisiert. In der Zwischenzeit erklärte das BMG eine Vielzahl von Unterlagen nachträglich zu Verschlusssachen, ohne die Voraussetzungen des Geheimschutzes zu beachten. Dieses Vorgehen erschwert nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes nicht zuletzt die öffentliche und parlamentarische Kontrolle der Beschaffung.
Beschaffung kritisch aufarbeiten und Vorsorge für künftige Krisen treffen
Das BMG muss seine Erfahrungen mit der Beschaffung und Verteilung von Schutzausrüstung kritisch aufarbeiten. Nur so kann es eine rechtssichere, wirtschaftliche und angemessene Reaktion bei künftigen Krisen sicherstellen. Fest steht: Eine zentrale Beschaffung und Bevorratung von Schutzausrüstung für das Gesundheitswesen durch den Bund hat sich als ineffizient und unwirtschaftlich erwiesen.
Die noch verwendbaren Lagerbestände sollte das BMG einer sinnvollen Nutzung zuführen, damit am Ende nicht zwei Drittel der beschafften Schutzmasken vernichtet werden müssen.
Mehr zu den Feststellungen und Empfehlungen finden Sie in unserem Beratungsbericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages: