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Rede des Präsidenten Kay Scheller zum Preis des Deutschen Mittelstandes

Datum 06.11.2024

Preis des Deutschen Mittelstandes 2024 der Stiftung Wir Eigentümerunternehmer

Replik des Preisträgers Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Dr. Großmann, sehr geehrter Herr Dr. Otto, sehr geehrter Herr Professor Römermann, sehr geehrter Herr Professor Berger, sehr geehrter Herr Dr. Gerhardt, sehr geehrte Professoren Hans-Werner Sinn und Thomas Koch, Verehrte Katherina, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Ihnen allen danke ich für die vielen lobenden und anerkennenden Worte.

Herzlichen Dank, dass Sie mich als Preisträger auserkoren haben; noch dazu im 30. Jahr des Preises – dem Jubiläumsjahr.

Vielen Dank für diese Anerkennung meiner Arbeit mit dem Bundesrechnungshof. Das ist eine große Ehre. Darüber freue ich mich sehr. Gerade weil Sie das so sehen, als Eigentümerunternehmer, als Herzkammer der deutschen Wirtschaft.

Die Auszeichnung kommt für mich völlig überraschend. Mit diesem honorigen Preis aus Ihrer Mitte habe ich nicht gerechnet – und ganz bestimmt auch niemand im Bundesrechnungshof - wo wir schon von Amts wegen eher bescheiden sind, wenn es um uns selbst geht.

Meine Arbeit mit dem Bundesrechnungshof ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsleistung von 1050 Menschen, viele kluge und engagierte Köpfe. Darunter sind 60 Mitglieder. Richterlich unabhängig, aber natürlich dem Gesetz unterstellt. Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes ist unsere Aufgabe. Dieser Auftrag steht in der Verfassung. Ihn nehmen wir wahr: mit genauem Blick und auf Grundlage klarer Fakten, die wir erhoben haben. Der Bund soll ordnungsgemäß und wirtschaftlich mit den Bundeshaushaltsmitteln umgehen, die ihm der Steuerzahler zur Verfügung stellt. Bundespräsident Heuss prägte dafür einst den Begriff der Staatsachtsamkeit. Unser Blick gilt daher vor allem stabilen Staatsfinanzen, erwirtschaftet zu einem großen Teil von Ihnen, vom Mittelstand.

Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, der Mittelstand haben ein Interesse daran, dass die Staatsfinanzen nachhaltig und stabil bleiben. Denn gute Infrastruktur, Bildung, steuerliche Rahmenbedingungen und in Krisenzeiten Unterstützung und Förderung sind wichtig für die Wirtschaft und uns alle. Sie sind Grundlage unseres Wohlstandes.

Um diese Aufgabe zu bewältigen, haben wir uns im Bundesrechnungshof auf meine Initiative hin in den ersten drei Jahren meiner Amtszeit neu aufgestellt, uns intern umstrukturiert. So sind wir heute mit unseren Prüfungen auf der Höhe der Zeit, liefern viele relevante Erkenntnisse zu den für unser Land und seine Zukunft besonders wichtigen zentralen Herausforderungen und strukturellen Problembereichen. Und mit denen ist Deutschland, ist der Bund, sind Bundesverwaltung und Bundespolitik derzeit reichlich konfrontiert.

Gut aufgestellt sein: Das war und ist meine und unsere Aufgabe. Und ich freue mich natürlich sehr, wenn ihre Stiftung das lobt und damit ausdrückt, dass wir unserem Verfassungsauftrag nachkommen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir können natürlich nicht bei jedem Bundeseuro prüfen, ob er den gesetzlichen Vorgaben entsprechend eingesetzt wird - und wirtschaftlich und wirksam. Wir setzen daher Schwerpunkte in jedem Ressort: Was ist neu? Was ist besonders komplex, risikoanfällig, wo haben wir besonders hohe Ausgaben, wo waren wir lange nicht?

Vor allem müssen wir bei der Auswahl unserer Prüfungen priorisieren. Wo vermuten wir strukturell relevante Schwächen und Missstände, große Defizite mit großer Auswirkung auf Staat, auf Wirtschaft und Unternehmen, auf die Gesellschaft an sich und auf die Bürger? Wo müssen wir für Transparenz sorgen? Weil wir Mängel vermuten, die drohen nicht erkannt oder zu spät erkannt zu werden? Wo gehören die Fakten auf den Tisch, damit Regierung und Parlament die Möglichkeit erhalten, die Mängel abzustellen. Dazu legen wir Prüfungsergebnisse vor, die Feststellungen und Empfehlungen enthalten. Wir betrachten zwar häufig zurückliegendes Handeln, denken aber immer vorwärts und geben Handlungsempfehlungen, die in die Zukunft gerichtet sind. An dieser Stelle endet dann unser Mandat. Denn anschließend handeln, umsetzen, das muss die verantwortliche Exekutive. Wir selbst können keine Weisungen, keine Anordnungen geben. Wir setzen auf die Kraft unserer Argumente. Folgt uns die Verwaltung allerdings nicht, können wir uns im zweiten Schritt an das Parlament wenden. Dann setzen wir auf seine Unterstützung durch die Arbeit und die Beratung in den Bundestagsausschüssen. Das gilt vor allem für den Haushalts- und den Rechnungsprüfungsausschuss, deren Beschlüsse zu verbindlichen Maßgaben führen, die die Regierung, die Verwaltung umsetzen muss.

 Meine Damen und Herren,

heute liegt die Erkenntnis klar auf der Hand, dass in den letzten zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren in unserer Bundesrepublik vieles liegen geblieben ist. Das fällt erst heute, im Jahr 2024, richtig auf. Für Viele ist das als Gesamtbefund anscheinend neu. Ich muss dazu sagen: Klare Hinweise auf strukturelle Versäumnisse und eindringliche Warnungen vor schädigenden Konsequenzen hat es in den letzten Jahren vom Bundesrechnungshof vielfach gegeben. Heute treffen diese strukturellen Versäumnisse der Vergangenheit, die sich weiter verschärfen, auf neue und weitere Problemlagen, die Staat und Bundeshaushalt fordern.

Wir kamen aus einer „fiskalischen Schönwetterphase“, die im Grunde mit dem Greifen der Hartz-Reform in den Nuller-Jahren begann und ihren Höhepunkt 2019 hatte: Wachstum, sprudelnde Steuereinnahmen, niedriges Zinsniveau, nahezu Vollbeschäftigung aller Fachkräfte. Aber anstatt zu konsolidieren, weitete der Staat vor allem seine Leistungen weiter aus. Dann kamen die Corona-Pandemie, der Überfall Russlands auf die Ukraine und die Energiepreiskrise. Die Staatsausgaben expandierten weiter - auch noch in den Jahren 2023 und 2024. Ein Wille zu konsolidieren ist nicht zu erkennen. Im Ergebnis sind die Probleme enorm, einen Bundeshaushalt verfassungskonform aufzustellen.

 Meine Damen und Herren,

für stabile Bundesfinanzen bedarf es jetzt klarer, kluger und auch schmerzhafter Entscheidungen.

Der Schuldenberg des Bundes ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gewachsen, damit einhergehend steigen die Zinslasten und Tilgungsverpflichtungen. Diese fiskalische Situation trifft nun auf einen riesigen Modernisierungs- und Nachholbedarf bei Infrastruktur, Verteidigung, Digitalisierung und Klimaschutz sowie den demografischen Wandel und steigende Kosten in den Sozialversicherungen.

In anderen Worten: Über Jahrzehnte hat der Bund zu wenig in die nötigste Infrastruktur investiert, deren Erhalt und Ausbau, analog wie digital. Ressourcenverzehr bei Straßen, Schienen, Brücken führten zu einer insgesamt maroden Infrastruktur ohne Verkehrswende. Vorfahrt hatten Konsumausgaben mit immer neuen Leistungsausweitungen. Heute stehen wir in den genannten Bereichen vor einem enormen Nachholbedarf. Den gibt es auch bei der Finanzierung unserer Streitkräfte und damit der Wiedererlangung der militärischen Verteidigungsfähigkeit in Deutschland.

 Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich bitte noch drei grundsätzliche Anmerkungen machen. Bekannt ist: unser Staat steht unter enormen Handlungsdruck. Seine gewaltigen Herausforderungen und Probleme wird Deutschland nicht mit Instrumenten von gestern und in Strukturen von gestern schaffen. Der Staat muss sich der veränderten Lage anpassen, den veränderten Bedingungen. Er muss sich modernisieren, um auch in Zukunft handlungsfähig zu sein. Und das fällt ihm schwer.

Erstes Beispiel: Deutschland muss die funktionale Wirksamkeit seines Verwaltungshandelns im Bundesstaat dringend verbessern. Was meine ich damit? Wir müssen unsere föderalen Finanzbeziehungen entflechten. Das expansive Hineinfinanzieren des Bundes in ureigene Länderaufgaben ist ungünstig. Es hemmt den Staat und die Wirkung der Finanzhilfen. Schule, ÖPNV und sozialer Wohnungsbau sind Ländersache. Trotzdem zahlt der Bund. Der Wirkungsgrad seiner Gelder ist dabei zumeist gering. Sie kommen teilweise gar nicht oder nur stark verzögert an oder nicht dort, wo das Geld gebraucht wird, dort wo die Aufgabe ist.

Mein grundsätzlicher Appell ist: Aufgaben- und Finanzverantwortung gehören in eine Hand. Wo die Aufgabe ist, da muss der Staat auch unmittelbar die Mittel bereitstellen. Dann kommt das Geld eher ins Ziel und kann Wirkung entfalten. Sie als Unternehmer wissen, mit eigenem Geld wirtschaftet man in der Regel sorgfältiger. Der Bund muss sich auf seine gesamtstaatlichen Kernaufgaben besinnen.

Zweitens: Wenn der Bund fördert, dann richtig: effektiv und effizient. Grundvoraussetzungen sind eine zutreffende Analyse und Feststellung des Bedarfs sowie eine genaue Bestimmung der Förderziele. Fehlt es daran oder sind Ziele nicht konkret definiert und damit nicht messbar, kann der Bund weder den Erfolg seines eingesetzten Geldes kontrollieren, noch steuernd eingreifen. Denn richtig fördern heißt: Finanzmittel laufen nicht ins Leere, keine Mitnahmeeffekte, keine Doppelförderung. Alles mit dem Ziel, dass jeder Fördereuro sitzt. Hier ist viel Luft nach oben! Ein effizienteres Förderwesen schafft Spielräume für die schon genannten dringlichen Zukunftsaufgaben.

Drittes Beispiel: die in weiten Teilen fehlende Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Da gibt es viel zu tun! Der Fortschritt ist hier eine Schnecke. Der Staat ist gesetzlich verpflichtet, Verwaltungsleistungen online anzubieten. Beim Digitalisierungsindex der EU reicht es für Deutschland aber nur für einen Platz im unteren Drittel. Manche Angebote werden in Aussicht gestellt, verzögern sich dann immer wieder. Sie kennen das sicherlich aus Ihrer Praxis. Unsere Empfehlung lautet: Die Bundesregierung muss die Digitalisierung von den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft her denken. Und vor allem die staatlichen Ebenen vernetzen mit digitalen Instrumenten, die Handeln über alle Ebenen ermöglichen. Bund, Länder, Kommunen, Europa, hier arbeitet jeder für sich. Katastrophen oder Cyberattacken machen aber nicht vor Staats- und Ländergrenzen halt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

bei alledem mein abschließender Rat: Bundesbehörden, Ministerien, die Politik insgesamt sollten endlich verinnerlichen, dass ihr Erfolg vor allem durch wirkungsvolles Handeln bestimmt wird und nicht durch steigende verausgabte Haushaltsmittel.

Also: Mehr Wirkung erreichen mit dem eingesetzten Euro. Auch das schafft Spielraum im Haushalt für weitere dringliche Ausgaben.

Als Bundesrechnungshof leisten wir weiter unseren Beitrag dazu. Dazu treiben wir auch die Modernisierung unserer eigenen Verwaltung voran. Die herkömmliche - traditionell analog geprägte - Verwaltung habe ich von 40 % auf 20 % der Beschäftigten heruntergefahren. 80 % unserer Beschäftigten arbeiten jetzt im Prüfdienst, also unserer „Produktion und Entwicklung“. Als Unternehmer würden Sie sagen: „Sie machen Umsatz!“. Interne Bürokratie und einige Hierarchiestufen haben wir abgeschafft, 200 Stellen eingespart und dafür die IT verdoppelt. So etwas geht, wenn man will. Und wir kommen durch konsequente Verdichtung und moderne Arbeitsformen mit 30 % weniger Bürofläche aus als noch 2017. Zudem haben wir keinen Personalmangel, denn hochqualifizierter Nachwuchs kommt gerne. Inzwischen hat bei uns jeder Zehnte einen IT-Hintergrund.

Konsequente Digitalisierung, Effizienzsteigerung und Personalgewinnung: Wir zeigen, dass das auch in einer obersten Bundesbehörde geht und leisten auch damit unseren Konsolidierungsbeitrag für den Bundeshaushalt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Appell lautet:

Staatliche Kernaufgaben müssen wieder in den Vordergrund rücken. Nur wenn der Staat liefert, worauf es ankommt, kehrt Vertrauen zurück – Vertrauen in seine Handlungsfähigkeit. Liefert er in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und des Schutzes seiner Bürger und der Wirtschaft nicht, verliert er Vertrauen, verliert er Stabilität, verliert er die Basis seiner Legitimation. Das darf nicht passieren.

Es gilt, staatliches Handeln wirksamer zu machen.

Meine Damen und Herren,

Den heutigen Preis verstehen wir im Bundesrechnungshof nicht nur als Anerkennung für die geleistete Arbeit, sondern auch als Ansporn, unseren Weg auch in Zukunft so zu gehen, wie ich ihn Ihnen beschrieben habe.

Herzlichen Dank dafür und herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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