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Geplante Reform der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen birgt verfassungsrechtliche Risiken

Ausgabejahr 2024
Datum 05.09.2024

Pressemitteilung zum Sonderbericht zur geplanten Reform der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen (Gesetzentwurf vom 25. Juni 2024 zur Änderung der §§ 55 und 58 Abgeordnetengesetz)

Der aktuelle Gesetzentwurf zum Abgeordnetengesetz behebt die Kritik nur teilweise, ein wirksamer Rückforderungs- und Sanktionsmechanismus fehlt weiterhin.

Die Gesetzesnovelle zur Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen des Deutschen Bundestages behebt die Regelungsdefizite nur teilweise. Gleichzeitig schafft sie neue Risiken: Eine weite Ausdehnung der Öffentlichkeitsarbeit verändert den Charakter der Fraktionen grundlegend. Damit sind verfassungsrechtliche Risiken für die Zulässigkeit der staatlichen Fraktionsfinanzierung verbunden. Ein wirksamer Rückforderungs- und Sanktionsmechanismus bei regelwidriger Verwendung von Haushaltsmitteln für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen fehlt weiterhin. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller Sonderbericht des Bundesrechnungshofes zur geplanten Reform der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen, der heute dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde.

Der Bund stellt den Fraktionen jährlich Geldleistungen – derzeit 140 Mio. Euro – und Sachleistungen (Fraktionsmittel) zur Verfügung. Aus diesen Mitteln finanzieren sie auch ihre Öffentlichkeitsarbeit einschließlich ihrer Auftritte in den sozialen Medien. Der Bundesrechnungshof hatte dem Gesetzgeber und dem Ältestenrat des Deutschen Bundestages empfohlen, die gesetzlichen Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen zu reformieren. Der nun vorliegende Gesetzentwurf setzt diese Empfehlungen nur teilweise um.

Weite Ausdehnung der fraktionellen Öffentlichkeitsarbeit birgt Risiken

Die Aufgaben der Fraktionen sind bislang nach innen – also in das Parlament hinein – gerichtet. Dem folgend darf ihre Öffentlichkeitsarbeit nur über innerparlamentarische Tätigkeiten unterrichten.

Die Novelle sieht nun eine eigenständige und weite Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen vor. Dazu gehören auch die Vermittlung allgemeiner politischer Standpunkte und der Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern. Künftig dürften Fraktionen nicht nur über ihr innerparlamentarisches Handeln informieren, sondern auch aktiv für ihre Politik werben. Der Gesetzentwurf erlaubt ihnen dadurch, Haushaltsmittel des Bundes auch für solche werbenden Maßnahmen einzusetzen, die bisher den Parteien vorbehalten waren. Die Grenzen zwischen Fraktions- und Parteiarbeit verschwimmen.

Eine so weitgehende Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen, die nicht nur an der parlamentarischen Willensbildung, sondern auch an der außerparlamentarischen politischen Willensbildung des Volkes mitwirkt, birgt verfassungsrechtliche Risiken. Der Gesetzgeber sollte die beabsichtigte weite Ausdehnung der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen daher kritisch auf ihre Verfassungsgemäßheit prüfen.

Ein wirksamer Rückforderungs- und Sanktionsmechanismus fehlt weiterhin

Gegenwärtig haben Regelverstöße von Fraktionen keine Konsequenzen. Einen wirksamen Rückforderungs- und Sanktionsmechanismus, um eine regelwidrige Verwendung von Fraktionsmitteln und Fehlanreize zu verhindern, sieht auch der vorliegende Gesetzentwurf nicht vor.

Die vorgesehene Rückzahlung von zweckwidrig eingesetzten Mitteln aus dem Bundeshaushalt reicht als Sanktion nicht aus. Die Veröffentlichung einer regelwidrigen Verwendung von Fraktionsmitteln in einer Bundestags-Drucksache setzt einen richtigen Anreiz. Es fehlen jedoch weiterhin z. B. Löschungspflichten für Inhalte in den sozialen Medien, die über das Aufgabenspektrum der Fraktionen hinausgehen.

Der Gesetzgeber beabsichtigt, künftig den Ältestenrat des Deutschen Bundestages eine regelwidrige Verwendung von Fraktionsmitteln feststellen zu lassen. Dabei ist offen, nach welchen Kriterien er eine rechtswidrige Verwendung der Geld- und Sachleistungen festzustellen hätte. Ebenfalls offen bleibt, ob der Ältestenrat auch politische Erwägungen bei der Bewertung einer Maßnahme berücksichtigen können soll. Das stellt nicht sicher, dass wirksam sanktioniert wird. Die Verwaltung des Deutschen Bundestages ist Parlamentsverwaltung und mittelverwaltende Stelle des Einzelplans 02. Als solche trägt sie die Verantwortung, diese Haushaltsmittel zu verwalten. Ihr fehlt jedoch eine solide Rechtsgrundlage, um dafür zu sorgen, dass regelwidrig verwendete Bundesmittel in den Haushalt zurückfließen.

Die vorgesehene Einbeziehung des Bundesrechnungshofes kann diese Mängel nicht ausgleichen. Als externe Finanzkontrolle kann er keine exekutive Rolle einnehmen. Die Mitglieder des Bundesrechnungshofes sind richterlich unabhängig, sie entscheiden über Gegenstand, Intensität und Zeitpunkt einer Prüfung. Ermittlungen als Vorraussetzung eines Sanktions- und Rückzahlungsverfahrens bleiben klassische Aufgabe der Verwaltung. Es bleibt dabei, dass der Gesetzgeber einen wirksamen Rückforderungs- und Sanktionsmechanismus schaffen muss.

Strengere Regeln vor einer Bundestagswahl

Im Zeitraum von sechs Wochen vor einer Bundestagswahl sollen nach dem Gesetzentwurf strengere Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen gelten. Wollen Fraktionen künftig in diesem Zeitraum Öffentlichkeitsarbeit betreiben, braucht es dafür einen besonderen parlamentarischen Anlass. Diese Umsetzung seiner Empfehlung begrüßt der Bundesrechnungshof. Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion wird dadurch klar von Parteiaufgaben im Wahlkampf abgegrenzt.

Mehr zu unseren Prüfungsfeststellungen und Empfehlungen lesen Sie hier in unserem Sonderbericht an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.

Die Kurzmeldung zum Bericht lesen Sie hier.

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