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Die Welt

Datum 23.02.2019

Interview des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller

WELT: Wenn man Ihre Berichte anschaut, hat man das Gefühl, dass überall Chaos herrscht. Das Bundesverteidigungsministerium hält sich nicht an Vergaberecht, das BAMF in Bremen arbeitet unsauber, für die Bahn gibt es kein Konzept. Hat der Bund das Gefühl für einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern verloren?

Scheller: Im Großen und Ganzen arbeiten Regierung und Verwaltung nach Vorschrift und auch wirtschaftlich. Aber natürlich gibt es Bereiche, bei denen Steuergelder ihr Ziel verfehlen. Schauen Sie auf die Bundeswehr, wo die Beschaffung von Material oft nicht funktioniert oder viel Geld für externe Beraterleistungen ausgegeben wird, ohne die Notwendigkeit zu begründen. Oder große Bauvorhaben: Häufig ohne Kostenehrlichkeit oder genauer Risikoanalyse, später explodieren dann die Kosten – Beispiel Stuttgart 21. Woher hier die zusätzlichen Mittel nun kommen sollen, ist weiterhin offen.

WELT: Sie haben jüngst das Verkehrsministerium kritisiert, weil es sich nicht um die Deutsche Bahn kümmere. Was läuft hier falsch?

Scheller: Problem Nummer eins betrifft die offiziellen Angaben der Bahn zum Zustand der Infrastruktur, auf die sich das Bundesverkehrsministerium verlässt. Die Zahlen vermitteln den Eindruck, der Zustand werde immer besser. Wir erleben aber das genaue Gegenteil. Andauernde Verspätungen wegen maroder Gleise. Es herrscht über die tatsächlichen Mängel keine volle Transparenz. Die offiziellen Zahlen der Bahn beschönigen den maroden Zustand der Infrastruktur. Darunter leiden die Fahrgäste, weil die Züge eben nicht so schnell fahren können, wie sie eigentlich müssten. Der Bundesverkehrsminister muss ehrliche Zahlen einfordern. Erst auf dieser Grundlage kann er den Investitionsstau wirksam angehen – schließlich finanziert der Bund die Bahn jedes Jahr mit Milliarden.


WELT:
Und das zweite Problem? 

Scheller: Das sind die Fehlanreize bei Investitionen. Die tägliche Instandhaltung muss die Bahn aus eigenen Mitteln finanzieren, große Ersatzprojekte finanziert aber der Bund. Die Bahn fährt deswegen bei den Instandsetzungsarbeiten auf Verschleiß und setzt darauf, dass der Bund einspringt, wenn die großen Reparaturen fällig werden. Das sehen wir zum Beispiel aktuell bei der Fehmarnsundbrücke in Schleswig-Holstein, die inzwischen so ruiniert ist, dass sie vielleicht neu gebaut werden muss. Sinnvoll wäre es, wenn Bund und Bahn sowohl die Instandsetzungen gemeinsam finanzieren als auch die Ersatzinvestitionen.


WELT:
Geht man im Bundesverkehrsministerium auf Ihre Forderungen ein? 

Scheller: Bislang war der Bund in Sachen Bahn kaum präsent. Dabei hat er laut Grundgesetz einen Gewährleistungsauftrag. Er muss garantieren, dass die Bahn funktioniert. Er muss auch sagen, wie er sich die Bahn künftig vorstellt: Wie viel Verkehr will er auf der Schiene haben, wie viel Fläche muss erschlossen werden, wie viele Gleise brauche ich? Das, was bislang an Konzepten vorliegt, ist zu wenig.


WELT:
Kritik üben Sie auch am Verteidigungsministerium. Im Ressort von Ministerin Ursula von der Leyen stapeln sich Ihre Berichte. Ist das Regierungshandeln dort besonders schlecht?

Scheller: Der Umfang unserer Berichte hat nichts mit schlechtem Regierungshandeln zu tun – er liegt eher in der Natur der Ministerien. Beim Verkehrs- und Verteidigungsministerium haben wir es mit vielen komplexen Projekten und hohen Investitionen zu tun. Im Übrigen haben wir einen Dauerauftrag, dem Bundestag über große Rüstungsvorhaben, die mehr als 25 Millionen Euro kosten, zu berichten. So kommt es, dass auch die Öffentlichkeit weiß, dass beim Schützenpanzer Puma die Kosten explodieren oder die Bundeswehr ihre Sprengmittelbestände nicht kennt.


WELT:
Aktuell steht das Verteidigungsministerium vor allem wegen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Beraterverträgen in der Kritik. Ist die Beauftragung von externen Beratern ein grundsätzliches Problem?

Scheller: Ich sehe den zunehmenden Einsatz externer Berater durchaus skeptisch. Natürlich muss sich auch der Staat externen Sachverstand holen können. Oft wird aber gar nicht die Frage gestellt, ob man die Leistung überhaupt braucht und ob man sie wirklich nicht mit eigenen Mitteln schafft. Es gibt Kernaufgaben, wie die Gesetzgebung, die zunächst die eigenen Beamten zu erledigen haben. Sie haben einen Eid auf das Grundgesetz geschworen – im Gegensatz zu externen Beratern, die ja ihrer Firma verpflichtet sind.


WELT:
Warum hören die Ministerien nicht auf die Empfehlungen aus Ihrem Haus?

Scheller: Oh, viele unserer Empfehlungen setzt die Verwaltung direkt um. Hier endet unsere Beratung aber nicht. Zentraler Adressat ist auch das Parlament. Dort entfalten unsere Berichte häufig noch mehr Wirkung. Das sieht man an der aktuellen Berateraffäre ja exemplarisch. Wir haben Prüfungsergebnisse vorgelegt, die jetzt zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geführt haben. Das Parlament verlangt auf Basis unserer Berichte Aufklärung.


WELT: Jüngst hat die Bundesregierung das Förderprogramm für Elektroautos verlängert, das Käufern von Elektro und Hybrid-Autos einen so genannten Umweltbonus zahlt. Offenbar wollte niemand das Geld haben. Hätte man das vorhersehen können? 

Scheller: Wir haben uns das Programm angeschaut und in der Tat festgestellt, dass ein großer Teil des Geldes immer noch im Fördertopf ist, obwohl das Programm in diesem Jahr auslaufen soll. Das lag offenbar auch daran, dass die Autofirmen ihren Beitrag mit ihren existierenden Rabatten auf E-Fahrzeuge verrechneten, so dass die Fördermittel keinen Kaufanreiz bieten. Die Käufer greifen deshalb nicht zu. Statt geplanter 300 000 Anträge, wurden bis zum Sommer 2018 nur 70 000 gestellt. Das ist natürlich ein Problem, weil der Staat so das Ziel nicht erreicht, mehr Hybrid- und Elektroautos auf die Straße zu bringen.


WELT:
Offenbar ist das Förderprogramm völlig überflüssig. Ist es auch schädlich?

Scheller: Es ist nicht gut, wenn Geld in Förderprogrammen gebunden ist, wo es nicht abgerufen wird. Für eine andere Verwendung steht es dann nicht zur Verfügung. Die Regierung muss besser als bisher prüfen, wie geeignet Förderprogramme zur Erreichung der festgelegten Ziele sind. Gerade beim Thema Kohlendioxid gibt es auch andere Möglichkeiten, den Ausstoß zu steuern.


WELT:
Welche zum Beispiel? 

Scheller: Wir wollen, dass die Bundesregierung sich ernsthaft mit der Einführung einer CO2-Bepreisung beschäftigt. Wer den Ausstoß von Schadstoffen bezahlen muss, hat Ansporn, sie zu verringern.


WELT:
Das sagen auch Ökonomen immer wieder – eigentlich schon seit Jahrzehnten. Warum haben wir denn nicht schon längst eine CO2-Steuer? 

Scheller: Eine CO2-Bepreisung kann tatsächlich ein Weg sein, die Klimaziele zu erreichen, die wir uns gesetzt haben. Gleichzeitig sollte die Regierung aber auch alle anderen Instrumente, Ausgaben und Vergünstigungen auf den Prüfstand stellen. Welche Ausgaben oder Subventionen, die vielleicht einmal mit gutem Grund eingeführt wurden, machen heute noch Sinn?


WELT:
Welche schlagen Sie vor?

Scheller: Deutschland kommt aus einer Subventionstradition und die sollten wir ein Stück weit abstreifen. Der Staat tut gut daran, zu überlegen, welche Steuersubventionen er künftig behalten will. Nehmen Sie die Energiesteuer. Es ist unsinnig, dass heute an der Tankstelle der Liter Diesel niedriger besteuert wird als der Liter Super Benzin. Das hat historische Gründe, aber gerade deshalb muss der Staat sich heute fragen, ob dieses Privileg noch zeitgemäß ist, schließlich haben beide Kraftstoffsorten Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit der Menschen.


WELT:
Mit solch einer Forderung machen Sie sich allerdings nicht nur Freunde. 

Scheller: Ich weiß, dass ich jetzt gerade unpopulär bin, aber das gehört zur Wahrheit. Ich will überhaupt keine Einzelmaßnahmen, die für sich genommen wie eine Steuererhöhung wirken, sondern ein Durchforsten des Steuer- und Subventionssystems. Dabei könnten viele Belastungen abgebaut werden und viele Regelungen, die nur einzelnen Interessensgruppen dienen. Niemand kann mir erklären, warum Handwerkerleistungen immer noch in der Einkommensteuer privilegiert sind – in einer Zeit der Hochkonjunktur am Bau. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, den Einsatz von Handwerkern im Privathaushalt steuerlich zu unterstützen, wenn ohnehin alle Gewerke mehrfach ausgebucht sind.


WELT:
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf? 

Scheller: Es gibt viele überkommene Regelungen. Bei den haushaltsnahen Dienstleistungen beispielsweise, die Ausnahmen für Unternehmen von der Strom- und Energiesteuer und natürlich bei der Mehrwertsteuer. Sie können keinem Bürger vermitteln, dass er auf einen pürierten Orangensaft sieben Prozent Mehrwertsteuer zahlt, auf einen gepressten aber 19 Prozent. Da sehen wir Reformbedarf.


WELT:
Das ist eine lange Liste. Was haben denn derlei Empfehlungen mit ihrem Mandat zu tun, dem Staat beim Geldausgeben auf die Finger zu schauen? 

Scheller: Auch bei diesen Empfehlungen geht es darum, dass der Staat finanziell handlungsfähig bleibt. Denken Sie an den enormen Investitionsbedarf in unserem Land und an den demographischen Wandel. Ganz abgesehen von all den externen Entwicklungen, die wir nicht steuern können. Wie der Brexit, der dafür sorgen wird, dass die Bundesregierung mehr nach Brüssel überweisen muss. Oder an das Risiko einer neuen Eurokrise. Es werden neue Herausforderungen auf Deutschland zukommen und dafür braucht der Staat finanziellen Handlungsspielraum. Den erreichen wir aber nur, indem wir Tradiertes auf den Prüfstand stellen und nicht einfach so weitermachen wie bisher.

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