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Süddeutsche Zeitung

Datum 16.07.2019

Interview des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller

SZ: Herr Präsident, Sie schauen penibel darauf, ob die Verwaltung das Geld der Bürger ordentlich ausgibt. Damit macht man sich nicht unbedingt Freunde, oder?

Scheller: Das ist unser Auftrag.

Die Interviewerin legt einen grünen Geldschein auf den Tisch.
SZ: Das sind 100 Euro, symbolisch gesehen der Bundesetat: Wie viel davon wird effizient ausgegeben?

Scheller: Wir zeigen jedes Jahr viele Einzelfälle auf, wo Geld verschwendet wird oder darauf verzichtet, es einzutreiben, denken Sie nur an eine Milliarde Hinterziehungszinsen. Unsere Vorschläge kommen auf ein bis zwei Milliarden Euro jährlich. Bezogen auf den Gesamthaushalt scheint das nicht so viel zu sein. Aber als Einzelsumme ist es eben doch enorm.

SZ: Gerade bei der Bundeswehr kann man den Eindruck gewinnen, es herrsche Chaos. Sie kauft alte Flugzeuge oder zu viele Funkgeräte. Gibt die Bundesregierung so viel Geld aus, weil sie das wegen der NATO-Quote muss?

Scheller: Es fließt viel Geld in Projekte, die nicht funktionieren. Am Jahresende bleibt dann häufig zu viel Geld übrig, 900 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr. Dieses Geld geht nicht in den Betrieb der Bundeswehr. Das ist ärgerlich.

SZ: Wieso gibt es so viele Beanstandungen?

Scheller: Gerade bei der Rüstung mischen viele Interessen mit, das ist komplex. Bundeswehr, Rüstungsindustrie, Abgeordnete, alle haben Wünsche. Wir gucken uns die Rüstungsprojekte an und stellen fest, wo es hakt. Im Regelfall sagt die Bundeswehr dann: Ja, unsere Feststellungen stimmen. Aber bei der Umsetzung hapert es. Und dann haben wir den Salat. Das sehen wir ja bei der Gorch Fock, die eingedockt wurde, ohne dass der Reparaturaufwand richtig erfasst war. Das ist exemplarisch.

SZ: Trotz der vielen Prüfungen scheint es, dass Sie nicht ausgelastet sind?

Scheller: Das sagen sie mal unseren Prüferinnen und Prüfern.

SZ: Sie greifen immer wieder beherzt in politische Entscheidungsprozesse ein. Beispiel Soli: Sie fordern die komplette Abschaffung, greifen sogar dem Gang zum Bundesverfassungsgericht und einem Urteil vor. Übertreten Sie da nicht rote Linien?

Scheller: Es gehört zum Kerngeschäft des Bundesrechnungshofes, sich mit der Haushaltsplanung zu beschäftigen, Risiken zu identifizieren und Rat zu geben.

SZ: Sie machen aber Politik, wenn Sie sagen, dass der Plan der Koalition, den Soli für 90 Prozent der Steuerzahler abzuschaffen, falsch ist.

Scheller: Moment, wir haben schon 2018 einen Bericht vorgelegt, wonach der Rechtsgrund für den Soli in der Silvesternacht 2019 wegfällt und deshalb der Gang vor das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich ist. Das ist ein Haushaltsrisiko, bis 2023 könnten so rund 54 Milliarden Euro an Einnahmen fehlen.

SZ: Der Aufbau Ost ist ja mit der erwähnten Silvesternacht nicht vorbei.

Scheller: Es geht hier um eine Ergänzungsabgabe, deren Voraussetzungen wegfallen. Wie soll man rechtfertigen, den Soli weiter zu erheben? Dann könnte man ja dem Bürger beispielsweise auch auferlegen, eine Sonderabgabe für Klimaschutz zu zahlen.

SZ: Das führt uns direkt zur Maut. Ärgert Sie es, dass der Hochmut eines Ministers ein so kostspieliges Desaster nach sich zieht?

Scheller: Wir haben natürlich einen enormen Einnahmeausfall, wenn die PKW-Maut nicht erhoben werden kann. Und es ist viel Geld ausgegeben worden, von dem wir nicht wissen, ob es einen Nutzen bringt. Ich denke an die Vorbereitungen zur Mauterhebung, es sind auch viele Stellen geschaffen worden...

SZ: Mehrere hundert Stellen...

Scheller: Und dann noch Regressforderungen. Das ist schon ein Batzen.

SZ: Beim Soli sind Sie so streng, bei der Maut dagegen nicht? Da haben Sie nicht explizit gewarnt, dass der Minister kein Geld vor der EuGH Entscheidung ausgeben soll.

Scheller: Wir haben schon 2015 „Vorsicht, Vorsicht" gesagt und die Einnahmeprognose und den zeitlichen Ablauf bezweifelt. Aber wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, ist ein Vergabeverfahren nicht zu beanstanden. Daran ändert ein noch offenes Verfahren nichts. Das ist der Unterschied.

SZ: Herr Scheuer hat alles richtig gemacht?

Scheller: Ob das Ministerium Vorkehrungen für die jetzige Situation getroffen hat, schauen wir uns an. Jetzt muss der Finanzminister entscheiden, wie er offene Posten wieder schließen kann. Und das Parlament.

SZ: Könnten Sie jetzt nicht sagen: macht eine Öko-Maut daraus? Wäre doch gut für die Staatskasse und den Klimaschutz.

Scheller: Ich kann gut verstehen, dass diese Möglichkeit politisch diskutiert wird. Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, gehört es dazu, vorhandene aufgebaute Ressourcen zu nutzen. Die Bundesregierung muss jetzt entscheiden, ob sie die PkW-Maut auch ohne Kompensation einführen will. Es gibt ja viele gute Gründe, unseren gesamten Verkehr auch über die weiteren Entfernungen klimafreundlicher zu machen. Da könnte die Regierung sagen: Ja, es gibt jetzt Tools, die sind aufgebaut, die nutzen wir auch.

SZ: Sind Verkehrsinvestitionen in Deutschland generell schwierig? Es gibt ja noch den Berliner Flughafen. Dessen Baustelle kostet jährlich mehr als Sie an Einsparungen vorschlagen.

Scheller: Ein Trauerspiel. Aber hier haben wir begrenzte Prüfrechte, können weder den Bau noch die Flughafengesellschaft prüfen.

SZ: Sie begutachten auch die Bahn, obwohl die ja ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist, keine Behörde.

Scheller: Der Bund muss ja als hundertprozentiger Alleineigentümer der Bahn definieren, was er mit dem Unternehmen machen will. Darauf warten wir, das muss geschehen. Also, wie viel Bahn braucht das Land, wie viele Haltepunkte; welche Netze, welche Taktung? Hier tut die Bundesregierung gut daran, Position zu beziehen. Dazu gehört auch die Frage, ob die Bahn als Aktiengesellschaft organisiert sein muss.

SZ: Und, Ihr Rat?

Scheller: Wir haben bei der Infrastruktur viel nachzuholen. Es wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren und zu wenig investiert. Es müssen die richtigen Anreize gesetzt werden, damit die laufende Instandhaltung seitens der Bahn funktioniert und nicht erst gehandelt wird, wenn ganze Bauwerke auf Kosten des Bundes ersetzt werden müssen. Das gilt für Weichen, auch für Brücken. Sehen Sie die Fehmarn Brücke, das ist so ein Fall, wo jahrelang nichts passiert ist.

SZ: Ist der Staat ein guter Unternehmer?

Scheller: Wenn Sie Monopolstellungen haben ohne echten Wettbewerb, dann muss man überlegen, ob es Sinn macht, dass der Staat als Eigentümer den Betrieb privatwirtschaftlich organisiert. Viele Bürger dürften sich das auch fragen.

SZ: Sie waren ja Fraktionsdirektor der Unionsfraktion. Was ist der größte Unterschied zwischen ihrem Job jetzt und damals?

Damals habe ich Interessen innerhalb der Fraktion gemanagt. Heute schauen wir, ob die Regierung rechtstreu arbeitet und wirtschaftlich.

SZ: Wie kommen Sie an die Daten?

Scheller: Wir haben starke Erhebungsrechte, können prüfen, was wir für notwendig halten, brauchen keinen Anfangsverdacht. Wir reden vor Ort mit den Beschäftigten, aus denen es manchmal nur so heraussprudelt, sie geben uns Hinweise auf Dinge, die sie selber nicht gut finden.

SZ: Melden sich auch Bürger?

Scheller: Ja, wir bekommen etwa fünf Hinweise täglich. Per E-Mail, per Post. In einzelnen Fällen gehen wir dem nach. Am meisten regt die Bürger auf, wenn Straßen oder Gebäude vermeintlich sinnlos gebaut werden. Oder die Auszahlungen von Leistungen durch die Bundesagentur für Arbeit, wie Arbeitslosengeld, scheinbar ungerecht läuft. Meist dort, wo Bürger direkt betroffen sind.

SZ: Müssten Sie nutzlose Subventionen auflisten, was stünde auf der Liste?

Scheller: Der ermäßigte Umsatzsteuersatz: hier geht es teilweise drunter und drüber. Allein für Weihnachtsbäume fünf Sätze oder unterschiedliche Sätze für Orangensaft, je nachdem ob er püriert oder gepresst ist. Hier muss bereinigt werden. Oder das Dieselprivileg an der Tankstelle. Steuersubventionierte Handwerkerleistungen trotz Bauhochkonjunktur. Energiesteuern.

SZ: Wie könnte die Bundesregierung ohne großen Aufwand mehr fürs Klima tun?

Scheller: Man sollte sich die Subventionen anschauen und überlegen, ob altes raus muss und neues rein. Man kann nicht nur draufsatteln. Also, Dieselprivileg und Handwerkerleistungen raus, Preis fürs Klima rein. Tragen die jetzigen Abgaben und Steuern dazu bei, CO2 zu sparen?

SZ: Der Staat könnte sich günstig Geld leihen, für 100 Euro muss er nur 98 zurück zahlen.

Scheller: Der ausgeglichene Haushalt ist enorm wichtig. Besonders für künftige Generationen. Die Zinsen können wieder steigen, dann wird es teuer. Die Schuldenbremse war bisher kaum gefordert angesichts sprudelnder Steuereinnahmen.

SZ: Die jungen Leute wollen aber lieber in Klimaschutz investieren statt zu sparen.

Scheller: Deshalb muss die Politik Prioritäten setzen und konsolidieren.

SZ: Wie soll das gehen?

Scheller: Sie muss nutzlose Förderprogramme streichen. Das Wirtschaftsministerium hatte eines zur Energieeffizienz aufgelegt, es rechnete mit 1000 Anträgen. Gekommen sind drei. Oder der Bonus für E-Autos; dieses Geld fließt nicht richtig ab. Und: die 80 Milliarden des Bundes an Länder und Kommunen werden nicht immer zweckentsprechend eingesetzt. Hier könnten verschiedene Leistungen reduziert werden.

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