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Handelsblatt zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung

Datum 29.10.2020

Präsident Scheller sprach mit dem Handelsblatt über die Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung.

Herr Scheller, der Bericht des Bundesrechnungshofs zum Umsatzsteuerbetrug trägt den Untertitel „Chancen der Digitalisierung nutzen“. Werden die Chancen bisher nicht genutzt?

Leider nein. Die Finanzverwaltung läuft den Betrügern in einem „Hase und Igel-Spiel“ hinterher. Es gibt immer neue Geschäftsmodelle im Internet, die Betrüger sind hier schnell und flexibel unterwegs. Für eine wirksame Kontrolle fehlen den Finanzbeamten die Instrumente.

Welche Instrumente wären denn notwendig?

Zum Beispiel eine Suchmaschine, um verdächtige Akteure im Internet aufspüren zu können. Ein solches Tool ist zwar entwickelt. Das, was es gibt, ist aber auch nach 15 Jahren nicht in der Lage, ausländische Unternehmen zu finden. Der Bundesrechnungshof hat schon vor Jahren eine leistungsfähige Suchmaschine gefordert, es ist aber nichts passiert. Außerdem fehlen bei Datenbanken Schnittstellen, über die sich Bundesländer aber auch EU-Staaten untereinander austauschen können. Der Rechnungshof ist auch überzeugt, dass digitale Umsatzdaten in Echtzeit verbunden mit der Blockchain-Technologie einen wichtigen Beitrag leisten könnten, um den Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen. So würde ein direkter Abgleich von Umsatzsteuer und Vorsteuererstattung den zeitlichen Vorsprung der Betrüger minimieren.

Sehen Sie Fortschritte?

Das BMF hat noch keine Überlegungen angestellt, wie das Potenzial von Echtzeitkontrolle und Blockchain-Technologie genutzt werden kann. Andere Länder sind da weiter. Deutschland muss aufpassen, den Anschluss bei solchen Zukunftstechnologien nicht zu verpassen.

Wie sieht es mit „klassischen“ Betrugsmodellen wie den Umsatzsteuerkarussellen aus?

Die Probleme sind weiterhin groß und teilweise sind sie hausgemacht. Zwei Beispiele: Auf Initiative des Bundesrechnungshofs wurden junge Unternehmen schon vor vielen Jahren verpflichtet, monatlich Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Diese Pflicht ist wieder abgeschafft worden, das Missbrauchspotenzial aber enorm. Außerdem wurde die Frequenz der Umsatzsteuersonderprüfungen in den letzten Jahren deutlich reduziert. Das sind schwere Rückschläge im Kampf gegen diese Steuer-Kriminalität.

Ihre Vorschläge kosten viel Geld, weil sie mehr Personal und eine bessere Technik erfordern. Ist das in Zeiten knapper Kassen zu rechtfertigen?

Ja, gerade in Zeiten knapper Kassen. Die Umsatzsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staats. Wir können davon ausgehen, dass dem Staat durch Umsatzsteuerbetrug Milliardenschäden entstehen, auch wenn es dazu keine empirischen Untersuchungen gibt. Der Staat könnte also eine Vielfaches dessen einspielen, was er eingesetzt hat. Außerdem ist es ein Gebot der Fairness gegenüber steuerehrlichen Unternehmern, Betrüger konsequent zu verfolgen.

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