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EU-Wiederaufbaufonds

Datum 11.03.2021

Statement des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, anlässlich der Zuleitung eines Sonderberichts zum EU-Wiederaufbaufonds

Risiken der gemeinschaftlichen Schulden und Haftung für den Bundeshaushalt transparent machen und reduzieren

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser Thema heute ist der EU-Wiederaufbaufonds.

Dafür nimmt die EU 750 Milliarden Euro gemeinschaftliche Schulden auf. Diese Mittel werden dann als Zuschüsse und Darlehen an die EU‑Mitgliedstaaten weitergereicht. Ein temporäres Aufbauinstrument, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in den Mitgliedstaaten zu bekämpfen.

Ein originäres EU-Thema, aber mit Relevanz für den Bundesrechnungshof:

Der Gesetzgeber berät aktuell das Eigenmittelratifizierungsgesetz. Wenn er das Gesetz verabschiedet, stimmt er dem Haushalt der EU bis zum Jahr 2027 zu. Und auch der geplanten Finanzierung des Wiederaufbaufonds. Unser Anliegen ist, den Gesetzgeber zu möglichen Fehlentwicklungen und Risiken für den Bundeshaushalt zu beraten:

  • um diese transparent zu machen,
  • damit er seine Budgetverantwortung wahren kann und
  • so die parlamentarische Kontrolle zu stärken.

Deutschland wird in den Fonds voraussichtlich 65 Milliarden Euro mehr einzahlen, als es selbst Zuschüsse bekommt. Hinzu kommen weitere Haftungsrisiken in dreistelliger Milliardenhöhe.

Das muss der Gesetzgeber bei seiner Willensbildung im Blick haben, wenn er in den nächsten Wochen über dieses Kriseninstrument berät und entscheidet.

Worauf weisen wir in unserem Bericht im Einzelnen hin:

Haftungsrisiken für den Bundeshaushalt durch gemeinschaftliche Schulden und Haftung

Der Wiederaufbaufonds organisiert schuldenfinanzierte Transfers zwischen den Mitgliedstaaten. Er etabliert ein Haftungsregime, bei dem die Mitgliedstaaten gegenseitig für Verbindlichkeiten eintreten. Faktisch handelt es sich um eine Vergemeinschaftung von Schulden und Haftung – eine Zäsur für die EU. Garant für die Schulden ist der EU-Haushalt. Für wie viel hiervon ein Mitgliedstaat haftet, bemisst sich damit an seinem Anteil am EU-Haushalt. Wenn andere Mitgliedstaaten ihre Rechnungen am Ende nicht begleichen können oder wollen, haften die restlichen Mitgliedstaaten also anteilig.

Verbindlichen Tilgungsplan festlegen

Die finanziellen Auswirkungen des Fonds werden bis weit in die nächste Generation zu spüren sein. Die Schulden sollen zwar aus dem EU-Haushalt über 30 Jahre getilgt werden. Offen ist aber, wer wann welchen Beitrag leistet. Diese Frage soll Gegenstand zukünftiger Verhandlungen sein. Um zu verhindern, dass sich die Mitgliedstaaten später nicht einigen können oder wollen empfehlen wir, die Rückzahlungen von Anfang an in einem verbindlichen Tilgungsplan festzulegen. Denn es ist einfacher, sich auf die Rückzahlung der Schulden zu verständigen, bevor das Geld ausgegeben wurde. Jetzt bleibt diese Frage offen, was zu schwierigen Verhandlungen über künftige EU-Haushalte führen kann. Mit der Gefahr, die finanziellen Lasten immer weiter in die Zukunft zu verschieben oder andere wichtige Vorhaben zu blockieren.

Übersicherung kann Begehrlichkeiten wecken

Die EU sichert die Bonität des Wiederaufbaufonds mit ihrem Haushalt ab. Eine Erhöhung der sog. „Eigenmittelobergrenze“ führt zu einem enormen Garantievolumen von mindestens 4 000 Milliarden Euro: fünfmal höher als das Volumen des Wiederaufbaufonds selbst. Viel zu viel. Verbunden mit der Gefahr Begehrlichkeiten zu wecken oder Spekulationen über eine Verstetigung der Verschuldung zu befeuern. Wir empfehlen daher, das Garantievolumen deutlich zurückzuführen.

Kriseninstrument nicht als Dauereinrichtung

Die Praxis zeigt: Regelmäßig verstetigen sich in Krisenzeiten auf EU-Ebene eingeführte Instrumente. Dabei wird häufig ausgeblendet, dass die mit dem Instrument verbundenen Kosten und Risiken in der jeweiligen Krise, nicht aber auf Dauer gerechtfertigt sind. Eine gemeinschaftliche Kreditaufnahme darf keine Dauereinrichtung sein.

Fiskalregeln nicht umgehen

Die Fiskalregeln begrenzen die nationalen Defizite und Schuldenstände. Sie gelten jedoch nicht für die EU-Schulden aus dem Wiederaufbaufonds. Die Mitgliedstaaten könnten sich also auf EU-Ebene theoretisch unbegrenzt verschulden und sich diese Mittel dann als Zuschüsse selbst zuweisen. Das konterkariert die Regeln für Haushaltsdisziplin. Deshalb sollten die Schulden des Wiederaufbaufonds anteilig auf die Schuldenstände der Mitgliedstaaten angerechnet werden. Nur dann können die Fiskalregeln disziplinierend wirken.

Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion sichern

Mit dem Wiederaufbaufonds will die EU die negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abfedern und ihre Mitgliedstaaten besser für zukünftige Krisen wappnen. Im Sinne einer langfristig starken EU sollten die Fondsmittel zielgerichtet genutzt werden, um die Strukturen in den Mitgliedstaaten widerstandsfähiger gegen Kriseneinflüsse zu machen. Wichtig ist daher eine Verknüpfung mit Reformauflagen, die auf den Abbau eben dieser strukturellen Defizite abzielen und die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten stärken. Wenn das nicht gelingt, kann das langfristig sogar die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sehen, kann der Wiederaufbaufonds die EU letztlich schwächen und die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden. Denn mit den vergemeinschafteten Schulden gehen erhebliche Haftungsrisiken für die einzelnen Mitgliedstaaten einher. Der Wiederaufbaufonds birgt zudem die Gefahr, ein Präzedenzfall zu sein. Er kann die Erwartung schüren, dass Kosten zukünftiger Krisen ebenfalls von der Staatengemeinschaft getragen werden. Dies verringert den Anreiz zur eigenverantwortlichen Vorsorge. Auch das wäre ein Fehlanreiz.

Dem Bundesrechnungshof ist bewusst, dass die Einführung des Wiederaufbaufonds politisch gewünscht und auf EU-Ebene beschlossen ist. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sollten aber sicherstellen, dass die gemeinschaftliche Kreditaufnahme unter Umgehung der Fiskalregeln nicht zu einer Dauereinrichtung wird.

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