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Bund muss beim Klimaschutz zielgerichtet steuern

Datum 24.03.2022

Statement des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, anlässlich der Zuleitung eines Sonderberichts zur Steuerung des Klimaschutzes in Deutschland

Der Klimawandel ist eine weltweite Krise. Die Erderwärmung gefährdet unsere Lebensgrundlage. Wissenschaft und Staatengemeinschaft sind sich deshalb einig, dass die Treibhausgas-Emissionen massiv gesenkt werden müssen. Und zwar schneller als bisher. Denn Nichtstun heute verletzt Freiheitsrechte morgen und kostet unter dem Strich mehr als wirksamer Klimaschutz.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat den Bund nachdrücklich an seine Verantwortung erinnert: Der Staat sei verfassungsrechtlich verpflichtet, jetzt das Klima für künftige Generationen zu schützen.

Auf Dauer dürfen nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, als gebunden werden können. Deutschland will diese Treibhausgasneutralität bis 2045 erreichen. Auf dem Weg dahin sollen die Emissionen bereits im Jahr 2030 um mindestens 65 % geringer sein als im Basisjahr 1990.

Dieser Verpflichtung entsprechend hat die Bundesregierung verschiedene Klimaschutzprogramme aufgelegt, die wiederum zahlreiche Maßnahmen enthalten. Diese Maßnahmen werden bis 2030 aber voraussichtlich nur eine Treibhausgas-Minderung von 49 % erbringen. 16 % weniger als angestrebt. Um diese „Klimalücke“ zu schließen, sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich.

Auch die neue Bundesregierung geht von einer deutlichen Zielverfehlung aus. Sie hat daher mehr Tempo beim Klimaschutz und weitere Maßnahmen angekündigt. Das allein wird aber nicht ausreichen. Denn bislang ist die Steuerung des Klimaschutzes in Deutschland mangelhaft. Und dafür gibt es Gründe:

  • Für zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen fehlen Vorgaben, wie viel Treibhausgas jeweils eingespart werden soll.
  • Gleichzeitig lässt der Bund weiterhin klimaschädliche Subventionen in Milliardenhöhe zu und konterkariert damit seine teuren Klimaschutzmaßnahmen.
  • Auch die ressortübergreifende Koordinierung des Klimaschutzes ist mangelhaft.
  • Die Klimaschutz-Berichte der Bundesregierung sind lückenhaft und als Steuerungsinstrumente ungeeignet.
  • Es fehlt ein Überblick, ob und in welcher Höhe Ausgaben und Einnahmen im Bundeshaushalt den Klimaschutz fördern oder erschweren.

Klimaschutzprogramme auf Treibhausgas-Minderung ausrichten und Fördereffizienz in den Mittelpunkt stellen

Derzeit investiert der Bund jährlich Milliarden in den Klimaschutz. Aber nur wenige Maßnahmen aus seinen Klimaschutzprogrammen sparen tatsächlich Treibhausgase ein. So führen vermutlich nur 4 der 96 Maßnahmen aus dem Klimaschutzprogramm 2030 überhaupt zu signifikanten Emissionseinsparungen. Das sind hauptsächlich die Maßnahmen zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung und der Ausbau der erneuerbaren Energien.

Sämtliche Klimaschutzmaßnahmen müssen daher umgehend auf den Prüfstand. Der Bund sollte künftig nur noch Maßnahmen finanzieren, die nachweislich und wirtschaftlich zur Treibhausgas-Minderung beitragen. Entscheidend ist dabei, konkrete Minderungsziele vorzugeben. Das ermöglicht zielorientiertes Steuern: Zeichnen sich die erwarteten Minderungen nicht ab, kann der Bund die Klimaschutzmaßnahme anpassen, beenden oder zusätzliche Maßnahmen ergreifen.

Für die meisten der derzeit über 100 Förderprogramme ist unklar, ob und ggf. in welchem Umfang sie überhaupt zu Minderungen von Treibhausgas beitragen. Im Ergebnis fließen Fördermittel in für den Klimaschutz wirkungslose und ineffiziente Programme.

Der Fördereffizienz muss eine stärkere Bedeutung bei der Bewertung der Maßnahmen zukommen. Fördern nur, wenn es wirtschaftlich ist. Hier fehlt es aber auch an der Vergleichbarkeit: Es wird mit unterschiedlichen Methoden berechnet, was es jeweils kostet, eine Tonne CO2 einzusparen. Hier braucht der Bund dringend eine einheitliche Berechnungsmethode. Er muss die Klimamilliarden dorthin lenken, wo der Wirkungsgrad möglichst hoch ist.

Instrumentenmix der Klimaschutzpolitik aufeinander abstimmen

Die Bundesregierung rechnet bis 2030 mit einem dreistelligen Milliardenbetrag aus dem Bundeshaushalt, um die Klimaschutzziele Deutschlands zu erreichen. Klimapolitik ist aber nicht nur Ausgabenpolitik. Der Bund nutzt neben Förderprogrammen verschiedene Instrumente, wie den nationalen Emissionshandel, Steuervergünstigungen und Investitionen in die Infrastruktur. Dieser Mix kann nur optimal wirken, wenn die Instrumente aufeinander abgestimmt sind. Wichtig ist, dass die Instrumente nicht durch klimaschädliche Subventionen konterkariert werden. Hier ist der Bund nicht konsequent: umweltschädliche Subventionen in Milliardenhöhe baut er nach wie vor nicht ab. Das lässt sich anhand aktueller Subventionsberichte illustrieren:

  • Laut BMF weisen 16 Mrd. Euro Finanzhilfen für 2021 einen positiven Bezug zu den Umwelt- und Klimazielen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf.
  • Fast zeitgleich bewertet das Umweltbundesamt Subventionen von 65 Mrd. Euro im Jahr 2018 als umweltschädlich.

Dies zeigt die Widersprüchlichkeit der Subventionspolitik auf. Dabei könnte die Bundesregierung durch kohärentes Handeln negative Effekte auf den Klimaschutz beenden und sich finanzielle Spielräume für klimafreundliche Ausgaben verschaffen.

Aktivitäten der verschiedenen Bundesministerien koordinieren

Um ihre Klimaschutzziele zu erreichen, muss die Bundesregierung entschlossen und schnell handeln. Die steuerungsrelevanten Informationen aus allen Ressorts müssen an zentraler Stelle zusammenlaufen. Diese ressortübergreifende Dimension hat die Bundesregierung bislang nicht ausreichend beachtet. Das sogenannte „Klimakabinett“ führt bislang nur ein Schattendasein. Es sollte in der letzten Legislaturperiode die Ressortaktivitäten steuern und koordinieren, tagte aber nur einmal. Angesichts der Bedeutung des Klimaschutzes und des Handlungsdrucks ist jedoch eine funktionierende, engmaschige Koordinierung unverzichtbar.

Aussagekräftige Klimaschutzberichte als zentrales Monitoringinstrument

Ebenso steuerungsrelevant ist eine aussagekräftige Berichterstattung. Der jährliche Klimaschutzbericht erfüllt seinen Zweck als zentrale Entscheidungsgrundlage nicht. Es fehlen wesentliche Informationen, wie z. B. Angaben zu allen Treibhausgas-Minderungen, die die Bundesregierung von den einzelnen Klimaschutzmaßnahmen erwartet oder bisher erzielt hat. Hier muss sie dringend nachbessern und den Klimaschutzbericht zu einem echten Monitoringinstrument ausbauen – mit allen geplanten, prognostizierten und erzielten Treibhausgas-Minderungen.

Haushalts- und Klimaschutzpolitik miteinander verknüpfen und Transparenz schaffen

Haushalts- und Klimaschutzpolitik sind bislang nicht eng genug gekoppelt. Mit einem „Klimahaushalt“ sollte die Bundesregierung transparent machen, ob Einnahmen und Ausgaben das Erreichen von Klimaschutzzielen fördern oder erschweren. Dazu sollte sie die Klimarelevanz von Ausgaben und Einnahmen im Bundeshaushalt erfassen und bewerten (sog. „Klima-Tracking“). Hierdurch ließen sich Zielkonflikte erkennen und die finanziellen Auswirkungen der Klimaschutzpolitik auf den Bundeshaushalt transparent darstellen. Bundestag und Öffentlichkeit müssen erfahren, was der Staat für den Klimaschutz ausgibt und was dieses Geld bewirkt.

Klimaschutzausgaben werden u. a. aus dem EKF finanziert. Die Rücklage des EKF stieg seit Jahren kontinuierlich an: auf 31 Mrd. Euro im Jahr 2020. Dies lässt zum einen auf erhebliche Umsetzungsdefizite der EKF-Programme schließen. Zum anderen tragen diese angehäuften Bundesmilliarden nicht zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen bei. Die Bundesregierung muss umgehend die Voraussetzungen schaffen, dass die Haushaltsmittel auch beim Klimaschutz ankommen.

Die Bundesregierung braucht endlich klare Sicht auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität. Untiefen und Klippen lauern genug. Das zeigt sich vor allem an den aktuellen Fragen zur Versorgungssicherheit und zur Bezahlbarkeit von Energie. Denn wenn die Klimaschutzmaßnahmen ökonomisch nicht leistbar und sozial nicht verträglich sind, außerdem Gelder in wirkungslose Maßnahmen fließen, gefährdet das den Transformationsprozess und die gesellschaftliche Akzeptanz grundlegend.

Für eine klare Sicht und einen sicheren Kurs auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität empfiehlt der Bundesrechnungshof daher

  • konkrete Zielwerte für Treibhausgas-Minderungen bei allen Klimaschutzmaßnahmen festlegen,
  • Fördereffizienz als wichtigen Maßstab etablieren und mit einheitlichen Methoden berechnen,
  • einen stimmigen Instrumentenmix schaffen und klimaschädliche Subventionen abbauen,
  • die Klimaschutzaktivitäten aller Ressorts wirksam koordinieren,
  • den Klimaschutzbericht zu einem geeigneten Informationsinstrument für Bundestag und Öffentlichkeit weiterentwickeln und
  • durch Klima-Tracking die Klimarelevanz von Ausgaben und Einnahmen im Haushalt sichtbar machen.

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